A CHANGE OF MIND
SINNESWANDEL

 

VORIGE EPISODE:

NÄCHSTE EPISODE:

 

     

 

Produktionsbedingte verzögerungen führen
zu unterschieden in der
US- und GB-reihenfolge. Die deutsche weicht wiederrum und ohne ersichtlichen grund davon ab. Die listung der episoden entspricht der sog. englischen standard-reihenfolge.
Handlungslogisch betrachtet erfordern die episoden von NUMMER 6 keine zwingende abfolge. In praktisch allen ländern, in denen NUMMER 6 lief, gab es eigene reihenfolgen.

Mehr zur episodenreihenfolge...

 

 

"I AM NOT
A NUMBER.
I AM
A PERSON."

"SIX OF ONE,
HALF A
DOZEN OF
THE OTHER."

 

 

DREHBUCH: Roger Parks
REGIE: Joseph Serf (= Patrick McGoohan)
DEUTSCHE FASSUNG: Frank Wesel
DEUTSCHE ERSTSENDUNG: ARTE 14.08.2010

MEHR: DIE TITEL
THIS PAGE IN ENGLISH

EPISODENWÜRDIGUNG

DARSTELLER UND
DEUTSCHE STIMMEN
KOMPLETTE BESETZUNG

Patrick McGoohan
Nummer Sechs
Bernd Rumpf
John Sharpe
Nummer Zwei
Peter Gröger
Angelo Muscat
Butler
ohne Sprechrolle
Angela Brown
Nummer 86
Christin Marquitan
George Pravda
Arzt
Karl Sturm
Peter Swanwick
Supervisor
Lothar Hinze

Harte zeiten brechen an: Nummer Sechs wird für seine wenig kooperative haltung und verschlossenheit von einem "Komitee" im Ort zum sozialen paria und für "unkonform" erklärt, fortan von allen bewohnern gemieden. Vom fernsehen übertragen, wird er einer lobotomie unterzogen. Wieder "gesellschaftsfähig", kommt er dem plan auf die schliche und zwingt Nummer Zwei zur hastigen flucht.

PLATZ 15 Viele schwächen in dieser alles in allem eher bedrückenden episode mit einem herausragenden John Sharpe als Nummer Zwei. Die leitidee der formierten gesellschaft beiseite, bleibt eigentlich nur die szene, in der Nummer Sechs seiner ärztin erklärt, wie man einen anständigen tee zubereitet.

 

Lesen Sie nur dann weiter,
wenn Sie NUMMER 6 bereits kennen
und sich näher mit hintergründen,
der produktionsgeschichte, therorie und diskussion beschäftigen wollen.
-
Wir sehen uns!

Von Arno Baumgärtel

Wie die meisten anderen episodentitel von NUMMER 6 ist der englische "A Change of Mind" fast unübersetzbar mehrdeutig im sinne von gehirnwäsche, verstandesänderung, sinneswandel. Frank Wesel, der deutsche dialogautor für die synchronisation durch ARTE im jahr 2010, bekannte, diese folge sei eine extreme herausforderung gewesen. Hier liegt das hauptaugenmerk auf sprache, und es ist kein zufall, dass ein "neusprech" im stile von George Orwell benutzt wird. "Unmutual" - dieses wort war für alle englisch sprechenden menschen des jahres 1967 ein neologismus, auf den man sich erst einen reim machen musste. Etymologisch die negation von "mutual" ist gemeint: einer, der nicht mitspielt. In der deutschen fassung wird daraus "unkonform", wo sein positives pendant "konform" durchaus geläufig ist, aber zugleich ambivalent genug bleibt. Und schließlich, war es nicht konformität, was von Nummer Sechs stets verlangt wurde?

NICHT DIE HEILSARMEE - DAS APPEAL SUB-COMMITTEE ANTE PORTAS

Nummer Sechs sieht sich wird von einem bis dahin unbekannten "Komitee" verfolgt und bedrängt, weil er seiner eigenen wege zu gehen pflegt, sich kaum an gemeinschaftsaktivitäten beteiligt und wenig kooperativ ist. Plötzlich ist er zum unsozialen außenseiter geworden - "unmutual" im sprachgebrauch des Ortes. Nachdem gute worte nichts ausrichten konnten, wird er schließlich zwangsweise einer gehirnoperation unterzogen, die ihn kurieren soll. Und damit alle etwas davon haben, wird die erfolgreiche "soziale konversion" live im örtlichen fernsehen gezeigt. Die oberen scheinen auf dem richtigen weg zu sein, Nummer Sechs ist wie ausgewechselt, reiht sich in die gemeinschaft ein.

2010: ARTE BRINGT NUMMER 6 ZURÜCK INS FERNSEHEN

FORMIERTE GESELLSCHAFT

Der begriff stammt von dem publizisten Rüdiger Altmann und wurde mitte der 1960er jahre unter Bundeskanzler Erhard (CDU, 1963 - 1966) in die öffentlichkeit gebracht. Das konzept einer politischen und sozialen ordnung beruht auf der gesellschaftlichen geschlossenheit nach außen gegen potenzielle, vor allem wirtschaftliche, gegner oder feinde - wirkt jedoch logischerweise auch und besonders nach innen; Nummer Zwei in "Freie Wahl" nennt es die "unanimous majority" - "einmütige mehrheit". Denn der ideologie nach sind die interessen der wirtschaft auch die des staates und, natürlich, die des gemeinwohls. Eine starke staatliche autorität soll für die einhaltung der übereinstimmung sorgen.

Der rückgriff auf das nationalsozialistische ideologem von der "volksgemeinschaft" ist offensichtlich. Gesellschaftliche konflikte z.b. über die atomkraft, minderheitenschutz und pluralismus der interessen, gewerkschaftliche auseinandersetzungen, gar streiks ebenso wie fragen nach der sinnhaftigkeit von "unhinterfragbaren fakten" haben da keine daseinsberechtigung.

Bald, nach nur drei jahren, war die konservative koalition aus CDU/CSU und FDP unter Bundeskanzler Erhard am ende. 1966 folgte die erste Große Koalition aus CDU/CSU und SPD mit Kurt-Georg Kiesinger als Bundeskanzler, einem ex-Nazi. Ab Oktober 1969 sodann die erste sozial-liberale koalition mit Willy Brandt als Bundeskanzler.

Für mehr u.a.
Matthias Kranz: "Die Formierte Gesellschaft. Ein Konzept wider der totalitären Ordnung?"
https://m.grin.com/document/8909
Peter Borowsky: "Das Ende der "Ära Adenauer"
https://www.bpb.de/izpb/10093/das-ende-der-aera-adenauer?p=all

Der konformitätsdruck, sich allseitig anzupassen, einzufügen und den mund zu halten, war selten stärker in NUMMER 6, die zeichnung des Ortes und seiner bewohner, die allgemeine atmosphäre war nie so unsympathisch und bedrückend wie hier. Das drehbuch ist Roger Parkes' erstling und enthält zeitgenössische brisante themen, anklänge an den politthriller von 1962 BOTSCHAFTER DER ANGST (THE MANCHURIAN CANDIDATE) sowie, überdeutlich, an Orwells "1984" ebenso wie die referenz auf die hetzjagden des US-senators Joseph McCarthy. Der zerrte in den 1950ern tausende unbekannte wie bekannte persönlichkeiten, die als kommunisten verdächtigt wurden, vor tribunale "gegen unamerikanische umtriebe".
Erzwungene persönlichkeitsveränderung mittels medizinischer eingriffe zieht sich als roter faden durch diese ära. Romane wie Ken Keseys ONE FLEW OVER THE CUCKOO'S NEST (1962) und SECONDS, der film von John Frankenheimer (1966) dokumentieren das.

Unterliegendes motiv ist die rigide autoritäre gesellschaft, die abweichler mundtot macht und ausschließt. Sie muss nicht notwendigerweise mit diktaturen einhergehen. Die geschichte der Bundesrepublik der nachkriegszeit, insbesondere während der ära des Kalten Krieges unter Bundeskanzler Erhard, hat das gezeigt. Vielleicht ist es diese für eine "abenteuerliche utopische serie" unpassend grimmige grundströmung, die die verantwortlichen beim ZDF zurückschrecken ließ, sodass diese folge erst gar nicht synchronisiert wurde.

NUMMER ZWEI ALS GÜTIGER GROSSER BRUDER

Roy Rossotti war der vorgesehene, jedoch unglückselige regisseur, der von McGoohan nach nur einem vormittag am set gefeuert wurde. Man sei wohl hinter dem zeitplan gewesen, erzählt schauspielerin Angela Browne [1]. Rossotti habe sich zeit für die inszenierung genommen, wahrscheinlich zu viel zeit für Patrick McGoohan, der unter großem stress gewesen sei.
Er sei "bei einer seiner ambitionen überoptimistisch" gewesen, schreibt Robert Fairclough, autor von zwei büchern über die serie
[2]. Als es darum ging, eine komplizierte kamerafahrt zu proben und umzusetzen, kam es abends zu einem stromausfall, weil die techniker keine überstunden leisten wollten. Die arbeiten mussten beendet werden. McGoohan sei außer sich gewesen. In berichten über die dreharbeiten ist immer wieder von spannungen am set, von McGoohans ausfällen gegenüber mitarbeitern, die rede.

Dass die episode schwach ausfällt, liegt auch am wenig inspirierenden studio-setting und dessen dürftigkeit, die, anstatt davon abzulenken, eher noch betont wird. Drehbuchautor Parkes spricht von "langweiligen und zusammengestoppelten" actionszenen. Völlig unglaubwürdig ist die hypnoseszene. Darstellerin Angela Browne als ärztin legt wirklich ein übertriebenes, kindisches gebaren an den tag, als ihre figur unter drogen stehen soll, was leider von einer kieksigen deutschen synchronstimme noch übertroffen wird. Aber letztendlich ist es der lieblose plot, der nicht so weit gehen darf, wie man erwarten müsste, nämlich dass der held Nummer Sechs lobotomiert würde - also "die oberfläche beschädigt", was freilich nicht sein darf. Dass etwa eine rettung in letzter sekunde herbei käme, wäre wahrscheinlich gegen McGoohans verständnis der rolle gewesen, der die dinge immer selbst in der hand hat. Und dass die von John Sharpe durchaus einschmeichelnd als gütiger onkel mit misogynen zügen gespielte Nummer Zwei einfach aufgrund eines rhetorischen kniffs vor der menge als unmutual blamiert dastehen und die flucht ergreifen soll - schwer zu glauben.

NUMMER SECHS THERAPIERT SEINE ÄRZTIN IN EINER
WENIG GLAUBWÜRDIGEN HYPNOSESZENE

Aber die episode hat durchaus ihre momente. Die grundidee, Nummer Sechs und mit ihm der dem eingriff per fernsehen beiwohnenden öffentlichkeit glauben zu machen, es habe eine gehirnoperation stattgefunden, ist eingedenk der in anderen episoden angewandten manipulativen strategien von realitätserzeugung oder deren beugung gut. Und Angela Browne als ärztin kommentiert in dozierendem ton und mit spitzen lippen live die angebliche lobotomieoperation, wahrhaftig tongue-in-cheek. Recht nett auch der moment, als Nummer Sechs ihr die herstellung eines wirklich guten tees demonstriert ("always warm the pot"). Oder die szene, als sich eine gruppe aufgebrachter matronen wegen seiner unkonformität drohend vor Nummer Sechs' tür aufbaut und ihn mit sonnenschirmen traktiert. Dennoch hat man nicht den eindruck, die ironie sei absichtlich platziert.

Alles in allem bleibt das gefühl zurück, dass diese episode mindestens ebenso hastig zusammengstrickt wurde, wie Nummer Zwei sich am ende davon macht und sich eben darin mit zwei, drei anderen - "Der General", "A. B. und C." und "Das Amtssiegel" - trifft. Hier siegt letztlich der gehalt über die notwendige verpackung, die story. Die episode bleibt deutlich hinter anderen zurück.

[1] Interview auf der Unmutual Website, https://www.theunmutual.co.uk/interviewsbrowne.htm
[2] Robert Fairclough: THE PRISONER. The Official Companion to the Classic TV Series, 2002


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