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THE SCHIZOID MAN |
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VORIGE EPISODE: NÄCHSTE EPISODE: |
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"I AM NOT
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DREHBUCH:
Terence Feely
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PLATZ 5 Für die idee der gespaltenen/ verdoppelten - persönlichkeit und die ikonografie von Nummer Sechs/Curtis, gute dialoge, eine glaubwürdige Anton-Rodgers-Nummer-Zwei sowie ein ebensolches beinahe-happy-end; und das alles im studio realisiert.
Die ausgangsprämisse ist inhaltlich und visuell sehr originell: Ein doppelgänger erscheint im Ort. Nun ist einer der goodie, der andere der baddie. Nummer Sechs wird verdoppelt bzw. gespalten. Die verantwortlichen des Ortes erhoffen sich mit ihrer über eine längere zeit laufenden manipulation, Nummer Sechs in seiner identität zu erschüttern, indem sie ihn, anscheinend, mit sich selbst konfrontieren. Ein dem faktor zeit geschuldetes detail verrät schließlich den plan.
LINKS: NUMMER
ZWEI GEHT KEIN RISIKO EIN, KEINE KUGELN, ALLES ELEKTRONISCH
RECHTS: WER IST ECHTER? NUMMER SECHS ODER "THE ECONOMY PACK"?
"Der Doppelgänger" entstand ende 1966 während der ersten produktionsphase, profitiert aber so gut wie gar nicht vom filmischen material des ersten drehtermins aus dem spätsommer des jahres. Von etwas stock footage abgesehen, spielt sich die (außen-) handlung komplett im ehemaligen Borehamwood-studio ab.
Die produktionsqualität ist ausgezeichnet. Die episode ist ein schönes beispiel, dass rein studiobasierte folgen, denkt man an "A. B. und C." und "Der General", nicht zwangsläufig "dürftig" sein müssen wie auch umgekehrt, dass die benutzung von originalschauplätzen nicht automatisch für mehr produktionsqualität steht. Der einzige schwachpunkt, eine delle in der erzählerischen qualität, ist die szene, in der sich Nummer Sechs die beherrschung über sich selbst zurück verschafft, indem er sich an einer lampe einen stromschlag verabreicht. Der gegenpol zu diesem highlight ist das episodenwrack mit dem verqueren deutschen titel "2:2=2".
DAVE BARRIE: S IS FOR... SCHIZOID
HOLLYWOOD IN ENGLAND: STUDIO DAYS
Philosophische und cinematografische (un-) tiefen, die mindestens bis zum stummfilm DER STUDENT VON PRAG (1913) zurückreichen, tun sich hier ebenso auf wie wissenschaftstheoretische und gesellschaftspolitische. Das betrifft den behaviorismus, also "das wissenschaftstheoretische konzept, verhalten von menschen und tieren mit naturwissenschaftlichen methoden – also ohne introspektion oder einfühlung – zu untersuchen und zu erklären" [Wikipedia] und die konditionierungsexperimente von Iwan Pawlow; oder etwa den diskurs über original und kopie, so auch den in anderen episoden behandelten status von realität und illusion, bis hin zu Walter Benjamins [Wikipedia] epochaler arbeit über "Das Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit". Das alles schwimmt hier beiläufig mit, verpackt in einer äußerst intelligenten story, die "verdreht" zu nennen, eine gewaltige untertreibung wäre.
Da ist die fundamentale feststellung von Nummer Sechs als reaktion auf den vorschlag von Nummer Zwei, mit technischen mitteln herauszufinden, wer von beiden die wahre Nummer Sechs ist: "Das problem mit der wissenschaft ist, dass sie missbraucht werden kann." Zur besseren visuellen unterscheidung der beiden "Sechsen" und gemäß der serien-"farbenlehre", wonach weiß für den Ort und die macht steht, das "existenzialistische" schwarz dagegen Nummer Sechs zugeordnet ist, trägt der (wirkliche) doppelgänger ein weißes jacket; ein vehikel zur verdeutlichung für die zuschauer, und sicher nicht nur für die im jahr 1967.
Alison, Nummer 24, wüsste es auch so - sympathico (wie sie es nennt), empathie. Aber Alison arbeitet für Nummer Zwei. Alison, eine der wenigen personen im Ort mit einem namen, trainiert mit Nummer Sechs für einen gedankenlesen-wettbewerb. Was zu der zeit alle von einer agentenserie erwarteten, drehbuchautor Terence Feely auch geliefert haben will, McGoohan dagegen nicht wollte, und was sich nichtsdestotrotz im subtext wiederfindet: eine frauengeschichte. Alison ist der verhinderte love interest der serie. McGoohan hat angeblich persönlich dafür gesorgt, dass es von der ersatzhandlung gedankenlesen nicht zu einem kuss kam, geschweige denn zu mehr.
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Unter den diversen Nummer Zweien, die sich an der causa Nummer Sechs versuchen, ist darsteller Anton Rodgers ohne zweifel einer der bemerkenswertesten; ein höflicher charakter. Seine präsenz ist nicht die von Leo McKern, er agiert ohne schnickschnack und ersichtliche (schauspielerische) übertreibung. Man nimmt ihm ab, dass er selbst die orientierung verliert. Er hat eine maßnahme eingeleitet, von der er beinahe überrollt wird. Am ende gelingt es ihm gerade noch, Nummer Sechs an der flucht zu hindern.
"Die prämisse, schreibt Robert Fairclough, "raubt einem den verstand. Nummer Sechs wird glauben gemacht, er spiele sich selbst, und der wahre schwindler wird als echte Nummer Sechs behandelt. (Der titel ist ein prima witz - es muss sich um den schlimmsten fall von schizophrenie handeln.) McGoohan ist exzellent in der doppelrolle und zeigt gerade so viel selbstgefälligkeit, dass das publikum weiß, der im weißen jacket ist die "sparpackung" und das konzentrierte, transpirierende modell das original. ...
"Der Doppelgänger" ist ein weiterer triumph, besonders erwähnenswert wegen der genialität des skripts, das eine der besten PRISONER-geschichten hervorgebracht hat." [1]
Tricktechnisch und schauspielerisch war "Der Doppelgänger" die größte herausforderung der serie NUMMER 6. McGoohan in einer doppelrolle, aufwändiges splitscreening kam zum einsatz und McGoohans stunt-double Frank Maher musste sein können u.a. beim fechten zeigen.
In der fertig gestellten episode nicht mehr enthalten sind mehr szenen, in denen sich die beiden doppelgänger messen, u.a. eine autoverfolgungsjagd, außerdem ein faustkampf.
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Rover, der wachhund des Ortes, wird nur in dieser episode beim namen genannt (durch Nummer Zwei und Nummer Sechs). Auf Deutsch fehlte die episode 1969 bekanntlich. Synchronregisseur Brinkmann erfindet beim ersten auftritt des monsters den begriff "Hystero", wo im Englischen das kommando an die bewohner zu hören ist: "Be still!" |
Doch was "Der Doppelgänger" wirklich tut, ist subversiv und nichts geringeres als eine hinterhältige volte zu schlagen, die grundlage der gesamten serie zu unterminieren: Hier muss Nummer Sechs beweisen, dass er eine nummer ist!
Diese episode wie auch "2:2=2" entsprechen sich in ihrer gegensätzlichkeit. Im "Doppelgänger" wird die person und persönlichkeit von Nummer Sechs verdoppelt. In "2:2=2" werden seine person und persönlichkeit gespalten. Dabei ergibt sich ein widerspruch: die doppelte persönlichkeit von Nummer Sechs bewirkt eine persönlichkeitsspaltung oder zumindest eine identitätskrise. Andererseits bringt die gespaltene persönlichkeit von Nummer Sechs (aus "2:2=2") auch eine art von doppelgänger, ein zweites exemplar seiner teilidentität, hervor. Außerdem bedeutet der englische begriff double (doppelgänger oder doppelt) in verbindung mit "personality" die persönlichkeitsspaltung. Eine verrückte - schizoide und schizophrene - angelegenheit ist das allemal. - Dank an Michael Brüne für die beobachtung!
FRANK MAHER (LINKS), PATRICK McGOOHANS STUNT-DOUBLE
Der allgemeine ton der folge ist durchaus ernst, ironie ja, aber keine billigen lacher. Bis zur veröffentlichung der deutschen DVD 2006 bzw. der synchronisation durch ARTE 2010 wurden dem deutschen publikum auch die süffisant-superben dialoge zwischen Nummer Sechs und seinem verdoppler-widersacher Nummer Zwölf vorenthalten. So die erste begegnung zwischen (dem echten) Nummer Sechs und dem double Nummer 12; eine kleine kostprobe:
Nummer
12: What the devil...?
(Nummer Sechs geht auf Nummer 12 zu)
Nummer
12: (kichert) Oh, very good. Very
good indeed. One of Number Two's little ideas, I suppose? Where did they
get you? A people's copying service, or you're one of those double agents
we hear so much about these days?
Nummer
Sechs: (nicht amüsiert) Since you've gone through so much trouble, the least I can do is... offer
you a drink.
Nummer
12: Scotch. (sie gehen ins wohnzimmer)
Nummer
12: I take it, I'm supposed to go all fuzzy around the edges
and run off into the distance, screaming "who am I"?
Nummer
Sechs: Probably, I have no idea.
Verschwunden in der ARTE-synchro sind allerdings spuren von ironie. Als Nummer Sechs sein double trifft, fragt er ihn, ob er von einer "schauspielagentur" komme - und nicht, wie im original, von einem "leutekopierdienst", was ein etwas drastischeres bild gewesen wäre. Nun gab es im jahr 1969 wahrscheinlich noch keine "kopierläden". Doch wenn Nummer Sechs von seinem double als "economy pack" spricht, benutzt die deutsche fassung für den nachgemachten Sechs statt der wörtlichen übersetzung "sparpackung" den begriff "fake" - ein wort, das damals ganz sicher noch nicht im umlauf war.
Mehr als 40 jahre später würde die figur Alison, gespielt von Jane Merrow, Nummer 24 in der episode, in Larry Halls kurzfilm RESOLUTION einen weiteren auftritt von unglaublicher authentizität haben. Ein nicht-kommerzielles fanprojekt und inoffizieller schlusspunkt der serie, wenn man so will.
[1] Robert Fairclough: "THE PRISONER. The Official Companion to the Classic TV Series" (2002). Aus dem Englischen von Arno Baumgärtel