arbeit und in meinem privatleben. Das ist nicht
leicht. Zunächst bin ich schauspieler, obwohl ich jetzt auch
regie führen, produzieren und drehbuchschreiben will. Für
mich ist das die aufregendste art zu leben, all diese herausforderungen,
das engagement. Ein
mensch muss sich bei seiner arbeit selbst unter druck setzen, um
darauf zu reagieren und darüber hinaus zu kommen. Die dinge
einfach so hinnehmen kann ich nicht. Ich
Weniger
ein interview als ein ausgedehntes
persönliches statement ist
dieser beitrag des 2009 verstorbenen schauspielers und hauptverantwortlichen für NUMMER 6, vergleichbar
dem "L.A. Tape", was
die persönliche darstellung anbelangt.
Das interview führte Mike Tomkies, mitarbeiter bei der zeitschrift "Photoplay", und es ist nicht klar, ob die fragen weggelassen wurden, weil sie sich vielleicht erübrigten. Anscheinend hatte Tomkies es mit dem star nicht leicht. Er blieb jedoch hartnäckig und ließ sich, so wird berichtet, nicht einschüchtern, was McGoohan eventuell imponierte. So erhielt Tomkies sein gespräch 1967, noch während oder kurz nachdem McGoohan in den USA mit den dreharbeiten an EIS-STATION ZEBRA beschäftigt war. Dabei enthüllte er auch den wahren grund seines engagements an diesem Hollywood-film, er wollte die produktion von NUMMER 6 finanziell absichern. (www.zani.co.uk)
Der text ist vermutlich noch nie auf deutsch erscheinen. |
setze mich auseinander,
weil womöglich etwas gutes dabei heraus kommt. Man hält
mich gelegentlich für schwierig, hibbelig und
RECHERCHE: MICHAEL BRÜNE
AUS DEM ENGLISCHEN VON ARNO BAUMGÄRTEL |
kompliziert.
Das kommt daher, weil ich das endergebnis so perfekt wie möglich
haben will. Vielleicht habe ich mich manchen leuten gegenüber
wenig beliebt gemacht. Zum beispiel, als in den späten 50ern
die finanzkrise die britische filmimdustrie traf und ich zusammen
mit anderen schauspielern von der Rank Organisation, wo ich unter
vertrag stand, gefeuert wurde. Man sagte, ich hätte nicht genügend
ambitionen. Darüber lächele ich heute. Ambitioniert genug
war ich, aber nicht in ihrem sinne - in meinem schon.
DAS TROYER-INTERVIEW MIT PATRICK McGOOHAN
ZUM TOD VON PATRICK McGOOHAN - mehr...
PATRICK McGOOHAN IM INTERVIEW MIT BILL KING
PATRICK McGOOHAN: INTERVIEW MIT ALAIN CARRAZÉ
PATRICK McGOOHAN: SIMON BATES, BBC-INTERVIEW
MEHR: PATRICK McGOOHAN ALS BRAND
Ich
habe schwer für DANGER MAN (deutsch: "Geheimauftrag
für John Drake") gearbeitet und kam nach und nach
mit der produzenten-, drehbuch- und kreativen seite der sache in
berührung. Alle haben hart daran gearbeitet. Daraus wurde eine
der ersten britischen fernsehserien, die auf dem amerikanischen
markt den durchbruch schafften und den weg für andere danach
frei machten.
Mit meiner neuen fernsehserie NUMMER 6 wollte ich zuallererst
1A-unterhaltung machen. Ich hoffe, dass hört sich glaubwürdig
an, weil es mir auch hierbei um die bewahrung der individuellen
freiheit geht.
RISIKO
Der
gefangene (anm.: Nummer Sechs) ist ein mann ohne namen, die
hintergründe bleiben im mysteriösen. Er wird fest gehalten,
aber nicht in einer gefängniszelle, sondern an einem idyllischen
ort. Er widersteht allen versuchen, seinen willen zu brechen, physischen
und psychischen. Alle stories handeln vom entschlossenen kampf eines
mannes ums überleben als individuum in einer makabren welt,
wo alle regungen von elektronischen augen überwacht werden
und alle nachbarn verdächtig sind.
Stellen
sie sich vor, sie wären ein wissenschaftler, sie arbeiten an
einem hochgeheimen projekt, eine rakete zum Mars zum beispiel. Und
plötzlich ist ihnen klar: "Ich höre auf. Ich will
eine auszeit." In ihrem kopf stecken wichtige informationen,
die rivalisierenden ländern und organisationen nützlich
sein könnten, informationen, die die welt in zukunft verändern
könnten. Ihre seite kann sie nicht einfach abdanken lassen.
Es kann nicht zugelassen werden, dass sie frei herum laufen.
Also
werden sie ungeheuer unter druck gesetzt - ob von jener seite, die
ihre geheimnisse haben will, oder von der, die sie verloren hat
und die nun verhindern muss, dass sie ihr wissen heraus geben. So
jemand ist gezwungen, im verborgenen zu leben. Seine individualität,
sogar seine gesundheit ist permanent bedroht.
Natürlich ist das ein zugespitztes beispiel. Aber in gewisser
weise steht heutzutage unser aller individualität auf dem spiel.
Die große frage heute ist, wie jemand ein wahres individuum
sein kann, bei all dem, was auf uns einstürzt an trivialitäten,
werbeslogans, falsche standards - nach was die leute oder dinge
aussehen und nicht etwa, was sie wirklich sind.
Bin ich tatsächlich ein gefangener des ruhms, des eindringens
in mein privatleben wegen des starrummels durch DANGER MAN? Ich
glaube nicht. Aber eine ständige bedrohung, immer erkannt und
"verlangt" zu werden, sodass einem die perspektive zerstört
wird, das ist da. Ich denke aber auch, es ist in ordnung, solange
man das, was man tut, eben als seine arbeit begreift - harte arbeit
vielleicht - und solange man akzeptiert, dass, wenn einen die leute
wiedererkennen und heroisieren, nach einem autogramm fragen, es
sich um den sozialen teil des geschäfts handelt.
Diese herausragende stellung ist heute aber kein schicksal, das
nur schauspieler betrifft. Das fernsehen hat die welt erschlossen,
und alle stehen stärker im rampenlicht. Das fernsehen hat unser
leben und unseren lebensstil verändert. Der kleinste hinterbänkler-politiker,
der zu einer lautstarken parlamentarischen minderheit gehört,
kann auf einmal auf den bildschirmen erscheinen, weil er irgendetwas
gesagt hat. Er wird zur berühmtheit, obwohl er vielleicht nur
einen winzigen prozentsatz an menschen repräsentiert. Das fernsehen
hat diese art ruhm hervorgebracht, und das betrifft viele fernsehsendungen.
Schauen sie sich frau Müller an, eine normale mitbürgerin,
sie bewirbt sich - eines tages, urplötzlich ist sie da, in
einer gameshow. Millionen menschen sehen sie, jeder ladenbesitzer,
der nachbar, der busfahrer.
SCHNICKSCHNACK-STARS
Aus
normalen leuten werden über nacht schnickschnack-"stars",
weil sie mal kurz in einer fernsehshow zu sehen waren. Wenn dann
die öffentlichkeit ihrer müde ist, ist ihr leben umgekrempelt,
und sie kehren dahin zurück, wo sie herkamen. Das muss ein
furchtbarer stress sein. Auch für all die, über die man
in der "Versteckten Kamera" gelacht hat - obwohl die damit
einverstanden waren, dass die aufnahmen verwendet wurden. Ich als
schauspieler bin das bis zu einem gewissen maß gewöhnt,
aber jemanden aus der normalbevölkerung muss das sehr hart
treffen.
|
Ich habe es mir genau überlegt, von der einen fernsehserie
zu einer anderen zu gehen. Die harte arbeit und die frühe bekanntheit
waren mir egal. Ich freue mich darüber, intensiv an einer sache
zu arbeiten, das ist für mich inzwischen ganz wesentlich. Nur
ein schauspieler zu sein, der zu seinem auftritt gerufen wird, würde
ich mittlerweile verabscheuen. Harte arbeit verschafft befriedigung.
Was außer arbeiten kann ein mensch sonst tun? Man muss sich
eine herausforderung suchen und versuchen, sie zu meistern. Wenn
ein anderer lebensstil der richtige ist, dann will ich davon nichts
wissen.
Ich habe keine angst davor, im fernsehen überpräsent zu
sein. Natürlich, wäre DANGER MAN alles, was ich tun könnte,
würde ich mir darüber sorgen machen. In wirklichkeit ist
die rolle von John Drake das, was ich am wenigsten in meinem leben
gemacht habe. Und mehr angebote zu arbeiten als seitdem gab es nie.
Seit ich John Drake spiele, habe ich angebote für über
hundert filme erhalten. Angebote für Hollywood-filme habe ich
jahrelang abgelehnt, weil ich zuhause so viel zu tun hatte. Und
ich brauchte auch einen guten anlass, um woanders wurzeln zu schlagen.
In Großbritannien habe ich gut gelebt. Und so ehrgeizig, ein
filmstar zu sein oder millionen zu verdienen, bin ich gar nicht.
Zum leben brauche ich mehr als das.
Ich habe mich entschlossen, in Alistair MacLeans EIS-STATION
ZEBRA - mit Rock Hudson und Ernest Borgnine als besetzung -
für MGM in Hollywood zu spielen, weil ich die arbeit von regisseur
John Sturges mag. Bevor es überhaupt ein drehbuch gab, rief
er mich an. Mir gefiel, wie er redete, und ich sagte nur daraufhin
zu. Ich spiele wieder einen geheimagenten, aber das spielt keine
rolle, weil er gegenüber John Drake ein ganz anderer charakter
ist. Und es ist eine erstklassige rolle. Es ist kein großer
unterschied, in Hollywood zu arbeiten. Filmemachen ist überall
gleich. Die meiste zeit waren auch meine frau Joan und meine drei
töchter bei mir.
KEIN
MITTELALTER
MGM
gab mir gegen ende des films, genau mitten in der produktion der
ersten 17 episoden von NUMMER 6, ein paar wochen frei, um in England
die letzten vier episoden fertig zu stellen. So etwas gibt es normalerweise
nicht. Denn man musste die ganze zeit ohne mich drehen - und das
passiert gewöhnlich nur, wenn der star krank ist.
Ein paar wochen lang wusste ich nicht richtig, wo ich war. Ich war
auch produzent von NUMMER 6, habe bei einigen folgen regie geführt
und auch drehbücher geschrieben. Ich mag arbeit. Das schlimmste
wort für einen schauspieler ist "ruhe", unter freunden
benutzt man es nicht!
Nur weil ich produziere, regie führe, drehbuchautor bin und
spiele, bedeutet nicht, dass ich außergewöhnliche talente
hätte. Wenn man so lange wie ich bei DANGER MAN beteiligt ist,
muss man sich auch auf alle anderen aspekte der produktion einlassen.
Die meisten anderen schauspieler tun es womöglich nicht, ich
muss es aber. Am besten arbeiten kann ich unter druck. Und ich glaube,
ich bin eher uneffektiv. Unglücklicherweise habe ich nur zwei
gänge, einen sehr niedrigen und einen sehr hohen. Ich wünschte,
ich könnte den mittleren pflegen. Ich bin nicht der typ, der
hinten wartet, dass er aufgerufen wird. Nur schauspielen ist jetzt
nicht mehr genug für mich. Natürlich, wenn ich für
irgendeine kleine bühne Macbeth oder König Lear spielen
würde, hätte ich für nichts sonst zeit. Aber wenn
man John Drake so oft wie ich gespielt hat, kennt man ihn in- und
auswendig, ich handelte schon automatisch bei den drehbüchern.
Etwa 80 prozent meiner energie lagen brach. Ich brauche das adrenalin,
muss mich ins produzieren, regieführen und schreiben stürzen
- das hilft einem in vielfacher weise beim spielen.
Ich habe versucht, John Drake als einen zu spielen, der immer kurz
vor dem ausbruch steht, etwas ganz wesentliches an jeder rolle.
Das publikum muss es spüren, wenn jemand los will, taten
sehen lassen will. Vielleicht ärger über ungerechtigkeit,
aber keine laune. Ärger hat etwas kälteres an sich, und
dahinter steckt ein guter grund. Ich bin dafür bekannt, dass
ich im wahren leben manchmal launen hatte. Wenn aber der grund dafür
in der arbeit liegt, dann kehre ich zur ursache zurück und
richte es. Ich schäme mich für meine launen nicht. Manchmal
ist es notwendig.
Von jetzt an spiele ich nur noch in filmen oder im fernsehen, wenn
ich entweder an der vorbereitung oder der produktion beteiligt bin.
Nur schauspieler zu sein oder einen großen namen zu bekommen,
interessiert mich nicht mehr. Nach NUMMER 6, schätze ich, bin
ich mit fernsehen fertig - was serien betrifft sowieso, aber man
muss es perspektivisch sehen. Beim fernsehen steht eine neue ära
bevor: zwei-stunden-fernseh"premieren", top shows mit
top stars und mit budgets um die 350.000 Pfund.
BOOM
IN SICHT
Solche
sachen wird es zuerst im fernsehen geben und dann in kinos. Für
die ganze unterhaltungsindustrie wird das wunder wirken. Man sagt,
in den anfängen hat das fernsehehen Hollywood schon einmal
beinahe umgebracht. Jetzt ist der größte boom aller zeiten
im filmgeschäft in sicht. In fünf jahren wird man nicht
mehr auf eine filmbühne in Hollywood kommen, weil es unmöglich
ist, die mattscheibe die ganze zeit über mit originalmaterial
zu füttern. Solche shows möchte ich gern selber produzieren.
Wenn man einige millionen Dollar dafür ausgibt, werden die
schauspieler nicht mehr auf die fernsehart wie heute herumhopsen
müssen. Große stars von heute, die das fernsehen meiden,
werden dann auch beteiligt sein.
Mir
gehören einige "geistige eigentümer", und als
ich sie kaufte, hätte man sie nur als kinofilm realisieren
können. Ihre etats wären jedoch zu groß gewesen.
Jetzt kann ich sie fürs fernsehen machen - 350.00 Pfund sind
nicht mehr exorbitant hoch. Und wenn sie gut genug sind, werden
sie im fernsehen zuerst gezeigt, danach im kino ausgewertet.
Hat
der reichtum mein leben verändert? Ich glaube nicht. Ich habe
immer noch mein haus in Mill Hill, trinke immer noch dasselbe bier
in denselben pubs in London - normalerweise öffentliche lokale,
wo etwas los ist. Und ich habe immer noch dieselben freunde wie
damals, als ich pleite war - das waren wirkliche freunde.
LIPPENDIENST
Wir
leben in einer zeit, wo werbung jeglicher art und der schein
zu einem bedeutenden teil unseres lebens geworden sind. Man
kann das nicht ignorieren, verhindern oder zensieren. Wir müssen
lernen, damit zu leben und uns dabei doch zu schützen. Als
vater von drei töchtern interessiere ich mich sehr für
die moderne jugend. Ich bin bestimmt kein hardliner. Junge menschen
heute sorgen sich vermutlich früher um ihre mitmenschen und
die welt als sonst irgendwann in der geschichte. Vieles an ihrem
gegenwärtigen extremismus in sachen kleidung und allgemeinem
verhalten ist rebellion gegen den verheerenden zustand der welt
um uns herum.
Für mich zum beispiel sind die Beatles wunderbar. Sie gehen
musikalisch erstaunlich weit und sind mit ihrer embryonischen "zurückgezogenheit"
wirklich auf der suche nach neuen klängen. Ich höre mir
immer ihre neuesten sachen an, und jedes mal ziehe ich etwas neues
daraus. Sie sind der inbegriff des zeitalters. Sie machen eine parodie
aus allem, was wir erwachsenen predigen, aber doch nicht umsetzen.
In einem ihrer letzten stücke heißt es: "All you
need is love", einfach nur das - wieder und wieder. Danach
realisiert man, dass wir gerade von liebe am wenigsten haben. Solche
mehrdeutigkeiten parodieren sie. Mehr können sie nicht tun,
auch nicht uns sagen wie. Es gab schon viele, die uns gesagt
haben wie es geht. Buddha war einer, Christus ein anderer.
Sie haben es uns gesagt, aber die welt hinkte hinter ihren visionen
her.
Verantwortung aller für alle, scheint für mich die einzige
antwort zu sein, eine schützende bescheidenheit, der bewertung
oder glorifizierung von territorium, wohlstand oder materiellen
gütern, die von denen, die sie haben, geschützt werden,
fremd ist.
PATRICK
McGOOHAN ALS "LONGSHANKS" 1995 in "BRAVEHEART"
Kommendes jahr will ich mit meiner familie nach Norwegen, wo ich
regie bei einem "Brand"-film führen werde (anm.:
ein stück von Ibsen, mit dem McGoohan 1959 den Best Theatre
Actor Award in Großbritannien gewann). Ich habe selbst
über die rechte verhandelt. Meine frau (anm.: schauspielerin
Joan Drummond) wird dann aus dem ruhestand zurückkehren
und mit mir zusammen spielen. Aber ich darf darüber nicht zu
viel sagen, sie mag es nicht, wenn ich mit den zeitungen über
sie spreche!
MANN
DER HOFFNUNG
Wir
werden in der wildnis leben, irgendwo ein holzhaus mieten und einfach
weiter arbeiten. Inzwischen setze ich die arbeit an NUMMER 6 fort.
Ich habe ein schweres stück arbeit hineingesteckt. Der gefangene
ist ein mann der hoffnung,
DAS TROYER-INTERVIEW MIT PATRICK McGOOHAN
ZUM TOD VON PATRICK McGOOHAN - mehr...
PATRICK McGOOHAN IM INTERVIEW MIT BILL KING
PATRICK McGOOHAN: INTERVIEW MIT ALAIN CARRAZÉ
PATRICK McGOOHAN: SIMON BATES, BBC-INTERVIEW
MEHR: PATRICK McGOOHAN ALS BRAND
vielleicht weil ich ein man der hoffnung
bin. Ich lasse mich nicht von äußerem druck vereinnahmen
- höchstens von meinem eigenen.
Veröffentlicht in "TV Times" am 01.12.1968
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