Wenn es darum geht, "Demaskierung" zu verstehen, müssen wir die inspirierende Kraft hinter NUMMER 6 untersuchen. Und wenn NUMMER 6 die Zuschauer in zwei Lager spaltet – diejenigen, die die Serie für die intellektuell anregendste und außergewöhnlichste Serie aller Zeiten halten, und diejenigen, die sich fragen, was der Blödsinn soll – bringt gerade "Demaskierung" diese Spaltung nachdrücklich zum Ausdruck.
AUS DEM ENGLISCHEN VON JANA MÜLLER |
Damals, 1967, erzeugte dieses Fernsehexperiment gemischte Gefühle bei den Zuschauern, alle warteten auf einen Abschluss für diese Serie, der ihnen dabei helfen würde herauszufinden, worum es da ging. Dann brach "Demaskierung" über sie herein, und die Reaktion der Massen ist gut dokumentiert. Tatsächlich ist es wohl wirklich diese Episode, welche die Dauerhaftigkeit von NUMMER 6 garantiert hat.
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Wo waren die versprochenen Antworten?
So ging der Aufschrei. Und McGoohan verschwand, versteckte sich, nachdem er erfolgreich die entfremdet hatte, die ihn in GEHEIMAUFTRAG FÜR JOHN DRAKE für so vorzeigbar gehalten hatten. Als er wieder auftauchte, startete seine Karriere in eine andere Richtung. Er war nicht länger Hauptperson, sondern ein Charakterdarsteller. Der Ruhm, auf den er Kurs genommen zu haben schien, war für eine Idee geopfert worden, die hell in ihm gebrannt hatte und die er mit Lew Grades Geld zur Realität auf Zelluloid machte, mit der er das zuschauende Publikum überfiel. Wie er verraten hat, hatte McGoohan die Idee vom "Individuum gegen die Bürokratie" schon in jungen Jahren. Sein Stern als Schauspieler stieg gerade auf. Allerdings war hier kein Mann für leichte Unterhaltung, sondern ein Mann mit festen Prinzipien, sogar Idealen.
Wie muss er sich gefühlt haben, als er im Lyric, Hammersmith seine Seele in die Darstellung von "Brand" legte und von denen, die davon wussten, dafür bejubelt wurde, es aber dennoch nicht schaffte, das Stück ans West End zu bringen? Den Beifall der Öffentlichkeit bekam er für GEHEIMAUFTRAG FÜR JOHN DRAKE, eine TV-Serie, wenn auch eine herausragende. Dann, in der Falle des eigenen Erfolges, und mit dem Wunsch, herauszuwachsen, vereinbarte er mit Lew Grade, etwas zu tun. Etwas so Verrücktes, für das es noch kein Vorbild gab, und etwas Ähnliches würde es auch nicht geben.
Alles fing gut an. Obwohl es Markstein war, der die Grundidee lieferte, war es McGoohan, der das Potential darin erkannte und sie sofort in seine Richtung lenkte, ein Zug, der Markstein zunehmend verbittern ließ.
McGoohans Kreativität erwies sich schon in diesen frühen Tagen klar, als er "Freie Wahl" schrieb, während Markstein und Tomblin das Skript für "Die Ankunft" zusammenschusterten. Als dieses fertig war, setzte sich McGoohan daran und nahm eine Reihe von Änderungen und Ergänzungen vor. Als die Serie mit ihrem anstrengenden Drehplan begann, fand sich McGoohan mehr und mehr an allen Fronten. Szenen hinzuzufügen oder zu ändern wurde zur Norm, und das Skript für "Pas de deux" floss von Tag zu Tag aus seiner Feder, während die Episode gedreht wurde. Es war klar, so konnte es nicht weitergehen - kein Mensch hält diesen Druck für lange Zeit aus - aber er musste es. Der Traum, den McGoohan Realität werden lies, verwandelte sich rapide in ein alles verschlingendes Monster.
Währenddessen wuchs, zunächst ohne Konsequenzen, dann Woche für Woche stärker, ein Alptraum, nämlich die Erkenntnis, dass man eine Kardinalssünde begangen hatte - es gab kein Ende. Als er nach dem Ende der Serie gefragt wurde, sagte Lord Grade in der Dokumentation SIX INTO ONE: The PRISONER File: "Patrick kam zu mir und sagte: 'Ich habe mich zu sehr verstrickt. Ich habe keinen Schluss'. Und ich fand es sehr groß von ihm, das zu sagen. Also habe ich den Networks gesagt, dass wir kein Ende haben." Ich habe Tony Sloman davon erzählt, und Tony sagte: "Und was meinst Du, was die Networks dazu gesagt hätten?"

So kam es, dass McGoohan sich erschöpft und vielleicht enttäuscht durch die Reaktion auf das, was seines Geistes Kind geworden war, daran setzen musste, einen Schluss zu schreiben.
Als ich Tony Sloman interviewte, hatte er dazu einige feste Ansichten. Er hatte das Gefühl, dass die Serie für McGoohan mit "Pas de deux" endete und dass "Demaskierung" deshalb das "erwartete" Ende war, das heißt: der große Knall, das Hollywood-Finale. (Alexis Kanner zu McGoohan, als sie die Maschinengewehre schwangen: "Ich dachte, wir würden hier eine pazifistische Botschaft bringen?" "Ironisch, nicht wahr?", war der Konter.)
Folgt man dieser Argumentation, dann ist es leicht, "Demaskierung" nicht als ernsthaften letzten großen Wurf des Idealisten zu sehen, sondern als Produkt eines betrübten, leicht verbitterten Schöpfers, der gezwungen ist, etwas gegen seine Prinzipien zu tun. Wenn das der Fall ist, wie schaffte es McGoohan dann, das Skript in diesen berühmten 36 Stunden hervorzubringen?
"Demaskierung" hat keinen konventionellen Plot, es ist eine Abfolge von Szenen. Alexis Kanner berichtet von der Geschichte, dass McGoohan ihm über einen Produzenten, der für ein Treffen mit ihm aus Übersee gekommen war, sagte: "Seine Hüftknochen sind nicht mit seinen Schulterknochen verbunden, wie bei dir und mir..." Kenneth Griffith erzählt, dass er seine Rede selbst geschrieben hat. Es scheint, dass McGoohan in diesen Tagen, in denen sein Enthusiasmus und sein Glaube an sein Projekt, das nun sein Leben bestimmte, im Sterben lagen, nach allen Ideen griff, die seine Werte spiegelten und sie im anarchischsten und radikalsten und abenteuerlichsten TV-Skript miteinander verschmolz, das möglich war.
Sie stammten vielleicht aus einer zufälligen Bemerkung oder aus seinem Unterbewusstsein. McGoohan, der Idealist, der Visionär, der sich von seinen Instinkten leiten lies, dampfte alles, was herausgepresst werden konnte, in diesen letzten großen Wurf ein... und wartete erschöpft auf die Reaktion des Publikums.
"Demaskierung"
machte keine Gefangenen. Verwirrt und verwirrend, surreal und symbolisch,
ambivalent und ambitioniert explodierte es über der zuschauenden
Öffentlichkeit und überfiel sie, wie kein Fernsehprogramm
es bis dahin je getan hatte oder vielleicht je wieder tun würde.
Als die Zuschauer sich empört erhoben, ließen sie einen
verletzten McGoohan zurück, der darüber nachdenken musste,
wie sein Versuch, seine Hoffnungen, Ängste und Träume
auszudrücken, ihn teuer zu stehen gekommen war. Mehr als aus
jeder anderen Folge kristallisiert sich die Botschaft von NUMMER
6 aus "Demaskierung" heraus. In den Augen des kleinen
Mannes besiegelte die Episode das Schicksal der Serie, und sie sicherte
diesem wichtigen Fernsehexperiment seinen Kultstatus und sein Ansehen
als Klassiker.
EPISODENWÜRDIGUNG: FALL
OUT (D)
APPRECIATIVE EXAMINATON: FALL
OUT (E)
DAVE BARRIE: THE MAJESTY
OF FALL OUT
Eine wichtige Frage bleibt unbeantwortet. Nach allem, was McGoohan an kreativen Ideen in Nummer Sechs eingebracht hat, schreibend oder verbessernd, warum hat seitdem er nie wieder etwas produziert? Denkt man darüber nach, wie die Serie aufgenommen wurde, wird vollkommen verständlich warum.
Dave
Barrie gründete 1977 die PRISONER Appreciation Society SIX
OF ONE. Dieser
artikel erschien im mitgliedermagazin "In The Village"
23/1999.
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