einer ära. Reisen
ins ausland und ein jet-set-leben waren bestandteile seiner abenteuer
als unabhängiger junger mann, der aus der konsumkultur des überflusses der späten 50er und frühen 60er jahre stammte. Großbritannien, Drake und Bond wurden, zwischen den machtblöcken
des ostens und des westens, wegen ihrer schlüsselstellung für
spione und agenten im kalten Krieg populär.
"MEIN
NAME IST DRAKE, JOHN DRAKE"
Wenn der krieg nicht offen ausgetragen werden konnte, dann im verborgenen
- das spielfeld des spions. Das publikum nahm von
AUS DEM ENGLISCHEN VON ARNO BAUMGÄRTEL |
den dunklen vorgängen
durch die tatsächlichen ereignisse um die überläufer
Guy Burgess und Donald Maclean von 1951 notiz, von Kim Philby 1963
und den Profumo-skandal im selben jahr sowie den häufigen ausweisungen
sowjetischer diplomaten in dessen folge.
Die jahre 1967 und 1968 stellen besonders für die deutsche, die französische und die US-amerikanische gesellschaft historische einschnitte dar.
• Auf den straßen und an den universitäten formiert
sich seit mitte der 60er jahre die APO, die außerparlamentarische
opposition, die studentenbewegung, gegen die strukturelle kontinuität
der nationalsozialistischen vergangenheit der Bundesrepublik und
personifiziert in Kurt-Georg Kiesinger, dem kanzler der ersten großen
koalition mit Nazi-vergangenheit; für mehr mitspracherechte an den ordinarienuniversiäten
und gegen den krieg der USA in Vietnam. Als ihr mastermind und sprecher gilt der student Rudi
Dutschke.
•
Am 2. Juni
1967 erschießt ein polizist in Berlin am rande einer demonstration gegen den Shah von Persien den unbeteiligten studenten
Benno Ohnesorg aus kurzer distanz. Die politische und gesellschaftliche
situation radikalisiert sich.
•
Ein rechtsradikaler verübt im April 1968 einen mordanschlag
auf Rudi Dutschke, an dessen spätfolgen er 1979 stirbt. Es
kommt zu gewaltsamen protesten gegen die Springer-Presse, vor allem gegen die "Bild"-zeitung.
• Im Mai 1968 beschließt der Bundestag die seit jahren
heftig umstrittenen notstandsgesetze,
durch die viele die einschränkung der grundrechte befürchten.
• Auf dem CDU-bundesparteitag im November 1968 wird bundeskanzler Kiesinger wegen seiner nationalsozialistischen vergangenheit von Beate Klarsfeld "Nazi, nazi, nazi!" rufend geohrfeigt.
•
Der Pariser
Mai 1968 mit studentenprotesten führt in Frankreich zu
einem generalstreik.
• Im August 1968 wird der "Prager Frühling", die vorsichtigen reformansätze
der politischen führung der (damaligen) Tschechoslowakei durch
die militärische intervention von truppen aus der (damaligen)
Sowjetunion und des Warschauer
Paktes blutig zerschlagen.
• Im April wird in den USA Martin Luther King, wortführer der bewegung
gegen die rassendiskriminierung, in Memphis erschossen;
im Juni Robert Kennedy, präsidentschaftskandidat der Demokratischen
Partei und bruder des 1963 ermordeten J.F. Die protestaktionen
gegen die kriegsführung der USA in Vietnam greifen weiter um
sich, zumal die nordvietnamesische "Tet"-offensive zwar
militärisch ein misserfolg ist, jedoch die kriegsgegner politisch
stärkt. Zu ruhm gekommen 1968 beim nationalkongress der Demokatischen
Partei in dem ausruf: "The whole world's watching!" |
Drake war allen durch seine geheimen gerätschaften, die er
bei seinen aufträgen benutzte, voraus. Harold Wilson, der vorsitzende
der Labour Partei, hatte 1963 den "focus auf die technologie"
gelegt. Als die partei 1964 an die macht kam, ging man daran, 2,3
prozent des bruttosozialproduktes des landes in die wissenschaftliche
entwicklung zu stecken. Doch schon mitte der 60er erwies sich die
technologie als ein zweischneidiges schwert. Jede neue wissenschaftliche
oder medizinische entdeckung bedeutete ein anwachsen des atomwaffenarsenals.
Die angst vor einem atomkrieg und die tatsache, dass noch so ausgefeilte
technologie die welt nicht unbedingt sicherer machten, artikulierten
sich 1964 in Stanley Kubricks nervöser filmsatire DR. SELTSAM
ODER WIE ICH LERNTE, DIE BOMBE ZU LIEBEN.
M. KEITH BOOKER: DER POSTMODERNE PRISONER
KEVIN P. MAHONEY: DER ANARCHISCHE PRISONER
HOWARD FOY: ES WAR EINMAL EIN TRIP
MOOR LARKIN: ICH BIN EIN BERLINER
MEHR: DANGER MAN
MEHR: JAMES BOND
POP
UND POLITIK
Wenig
wunder, dass sich im wandelnden politischen klima der 60er jahre
politische satire auch im fernsehen zeigte. NUMMER 6 stand konträr
zum gängigen spionagegenre, indem man die technik- und wissenschaftsbeherrschung
durch den agenten umkehrte. Aus den meistern à la Drake und
Bond wurden zielscheiben und unterlegene - abbild der zeitgenössischen
ängste vor den folgen unhinterfragten technologischen fortschritts.
NUMMER
6 war in jedem fall auch pop. Der künstler Peter Blake
(er gestaltete später das cover des definitiven Beatles-albums
"Sergeant Pepper's Lonley Hearts Club Band") definierte
pop-art 1957 als:
"populär (für ein massenpublikum bestimmt);
verzichtbar (schnell wieder vergessen);
billig, massenhaft hergestellt;
jung (auf jungendliche zielend);
gewitzt; spielerisch, glamourös und big
business."
Der
leicht stilisierte look von NUMMER 6, die synthetische, farbenfrohe
bekleidung sowie die einstufung des programms als eine action-abenteuerserie
für ein breites publikum zusammen mit solchen gadgets wie dem
weißen ballon Rover, den zahlen-statt-namen und dem hochrad,
bedeutete, die serie war pop, soweit es nur möglich
war.
Die
in der finalen version der serie nicht verwendete schlusssequenz zeigte eine animation der Erde, aus der heraus sich das wort POP
entwickelt, das den bildschirm füllt, eine explizite verbindung
mit der kultur jener zeit. NUMMER 6 war beides - pop und politik.
IN
DER FINALEN VERSION DES ABSPANNS DURCH AUFNAHMEN DES
WEISSEN BALLONS ERSETZT: DIE POP-ANIMATION
Scriptredakteur
George Markstein (mehr...)
erklärte, er sei durch einen verbitterten blick auf Harold
Wilsons Labour-regierung auf den gedanken mit dem Ort (the
Village; anm.) gekommen. Er habe "ein tiefes
misstrauen gegenüber dem wohlfahrtstaat. Im Ort wird für
alles gesorgt. Es gibt musik, spiele, kostenlosen transport, und
das vergehen des Gefangenen liegt darin, dass er diesem ultimativen
wohlfahrtsstaat entkommen will."
Der
grelle künstliche konsumismus im Ort war lediglich ein
äußeres ablenkungsmanöver. Hinter der fiktion, der
konsument habe doch die freie auswahl, lauerte in wahrheit die abwesenheit
von optionen angesichts der auswahlmöglichkeiten, wie Anthony
Burgess scharfsinnig bemerkte: "Es handelt sich um in
die reklamewelt transferierten Orwellianismus, maschinen funktionieren
wunderbar, alle sind wie im urlaub, tragen blazer mit nummern und
die verhörspezialisten sind so lustig wie die apologeten für
waschmaschinen oder verpackten Cheddar." Dass die bewohner
des Ortes nummern statt namen trugen, war das offensichtlichste
politische merkmal. Hinzu kam das ikonoklastische bekenntnis des
helden: "Ich bin keine nummer, ich bin ein freier mensch!"
In
dieser kombination aus populärem und politischem wurde NUMMER
6 zum symptom einer zeit, in der die kunst barrieren überwand.
Zuvor war die dramaturgische einbeziehung von fantasy und surrealismus
auf einzelstücke beschränkt gewesen, wie etwa David Perrys
"The Trouble with your Ivy" (1961) and Anthony Skenes
"File on Harry Jordan" (1965). Jetzt aber bemächtige
sich künstlerische subversion auch der populären formate.
Während das thrillerderivat THE AVENGERS (MIT SCHIRM, CHARME
UND MELONE) sich damit zufrieden gab, als komödie auf agentenparodie
mit fantasy- und surrealistischen elementen, comicstrip und science-fiction
zu machen, benutzte NUMMER 6 dieselbe technik für beobachtungen
sozialer art im kontext eines spionagethrillers.
"ERINNERE
MICH NICHT DARAN, DAD"
NUMMER
6 kam heraus, als Patrick McGoohan 39 jahre alt war. Er benutzte
die show, um seine eigenen gedanken über die gesellschaft der
60er jahre auszudrücken wie auch seine individualistischen
neigungen im allgemeinen. Gleichzeitig brachte er einen erwachsenen
blick mit auf die jugend, den schlüssel für das soziale
und politische aufbegehren dieser zeit. "Ich interessiere
mich ganz besonders für die moderne jugend", sagte
er 1967. "Die leute heute machen sich viel früher in
ihrem leben gedanken über ihre mitmenschen und den zustand
der welt als vordem. Viel von ihrem extremismus in der bekleidung
und im verhalten ist eine rebellion gegen den katastrophalen zustand
der welt um sie herum."
McGoohan
sah sich selbst zweifellos als rebell. Die pseudonyme seiner drei
drehbücher für NUMMER 6 zeigen, dass er sich ausdrücklich
mit den underdogs der gesellschaft identifizierte: '(Paddy) Fitz'
ist ein slangbegriff für ein illegitimes kind (anm: auch
der geburtsname seiner mutter: Fitzpatrick); '(Archibald) Schwartz'
eine beleidigende bezeichnung für dunkelhäutige; und '(Joseph)
Serf' ein mittelalterlicher begriff für sklave
(obwohl 'Joseph Serf' auch eine figur bei Herman Hesse ist). Er
sympathisierte mit der modernen jugend, die aber dennoch in NUMMER
6 fast gar nicht vorkommt, abgesehen von jungen attraktiven schauspielerinnen
- den "Prisoner Birds", wie sie das magazin TV World nannte
- als bestandteilen von filmen und serien dieser zeit. Wie schon
DANGER MAN wandte sich NUMMER 6 ebenfalls gegen das vorherrschende
frei-liebe-, sex-und-politik-verständnis. Und McGoohan verhinderte
erfolgreich versuche von drehbuchschreibern, die hauptfigur in romantische
abenteuer zu verwickeln.
Aus dem Gefangenen wird so ein widersprüchlicher charakter.
Obwohl er die revolutionären anwandlungen der zeit teilte,
war er doch auch ein rebell des establishments, zu hause in den
büros und schaltzentralen der macht gemeinsam mit denjenigen,
die die fäden der 60er-jahre-gesellschaft zogen. Er, der geheimagent,
ist dermaßen züchtig und traditionalist, dass seine verlobte
die tochter seines chefs ist.
Erst in der letzten episode "Fallout" kommt die identifizierung
von NUMMER 6 mit der jugendkultur der 60er jahre zum tragen, wo
Alexis Kanner die Nummer 48 spielt. Mit 27 jahren verkörperte
er sowohl die jugendliche rebellion als auch ihre kreative seite.
Kanners theaterkarriere passte gut zu McGoohans künstlerischen
ambitionen für die serie, schließlich war der führende
kopf selbst ein erfahrener klassischer schauspieler. Kanners balanceakt
am rand des zeitgenössischen theaters - er wurde auch als "Hamlet
E-Typ" bezeichnet - war einfach ideal geeignet für die
darstellung des "unko-ordinierten jugendlichen, der rebelliert,
ohne zu wissen wogegen".
DIE
MAGICAL MYSTERY REVOLUTION
Eine
weitere facette der episode "Fallout" verortet NUMMER
6 direkt als teil der 60er: die Beatles-sommer-liebeshymne
"All You Need Is Love" (mehr...).
Anfänglich zweifelte McGoohan, erinnerte sich musikredakteur
Eric Mival: "Pat machte sich große sorgen um
die langlebigkeit der serie, und er fragte mich, ob die Beatles
sie zeitlich stempeln würden oder nicht. Ich sagte, meiner
ansicht nach nein. Denn die veröffentlichten schon damals unglaubliche
sachen, die so lange bestand haben würden wie die serie."
Es war große voraussicht bei McGoohan, dass er die musik einer
gruppe benutzte, die, wie auch NUMMER 6, aus ihrem ursprünglichen
kontext herauswachsen würde. Ihre karriere glich in mancher
hinsicht seiner; beide waren internationale mainstream erfolgsgeschichten
und nutzten ihre kommerzielle schlagkraft für bahnbrechende
experimentelle arbeiten.
Production
manager Bernard Williams erinnerte sich, dass McGoohan nach
"Fallout" ihr favorit als regisseur war: "Sie
hielten ihn für das beste seit der erfindung von schnittbrot.
Sie dachten, er sei ihnen ganz nah und verrückt genug für
ihre vorhaben." Sicher war der Beatles-film MAGICAL MYSTERY
TOUR, der ein paar wochen vor "Fallout" über Weihnachten
1967 lief, ebenso anarchisch und chaotisch wie die letzte episode.
Was das betraf, war McGoohan froh, dass er und die band auf einer
wellenlänge funkten. "Sie wussten, was ich damit wollte",
sagte er, "Auf den punkt."
Dass
NUMMER 6 in chaos und apokalypse endete, passte ebenfalls gut zur
populären kultur der 60er. Manche filme aus der zeit, wie in
einem reflex über die unsicherheit des lebens unter der bombe,
haben ein schockierendes, fatalistisches ende, meistens mit dem
tod des rebellierenden protagonisten durch die hand eines unterdrückers
oder reaktionärs. DER PROZESS (1962), SECONDS (1966), BONNIE
AND CLYDE (1967) und THE WILD BUNCH (1969) - sie passen alle in
dieses muster. Über das abstruse finale von NUMMER 6 befragt,
sagte McGoohan: "Ich kann es nicht besser erklären
als die täglichen zeitungsbilder aus Vietnam." Ein
eindeutiger erklärender abschluss von NUMMER 6
M. KEITH BOOKER: DER POSTMODERNE PRISONER
KEVIN P. MAHONEY: DER ANARCHISCHE PRISONER
HOWARD FOY: ES WAR EINMAL EIN TRIP
MOOR LARKIN: ICH BIN EIN BERLINER
existiert nicht.
Denn diese letzte anarchische folge war das synonym für die
unaufgelösten widersprüche derjenigen kultur, aus der
die serie hervorging. Die show war perfekt getimed und auf der bruchline
gebaut, die das jahrzehnt kennzeichnet, bevor die "swinging
sixties" zynisch wurden.
Meet
the new boss
Same as the old boss
Won't get fooled again
The
Who, 1970
Auszug aus
dem buch von Robert Fairclough: "THE PRISONER. The Official Companion to the
Classic TV Series" ( 2002)
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