Dieser Film, entstanden aus anlass des 50. jahrestag von THE PRISONER, zeichnet Chris Rodleys frühe erfahrung als filmemacher nach: sein versuch, Patrick McGoohan für eine dokumentation im anschluss an die wiederholung der serie 1983 bei Channel 4 zu interviewen - ein mensch, der für seine abneigung gegenüber interviews bekannt war.
AUS DEM ENGLISCHEN VON ARNO BAUMGÄRTEL |
Hier nun, in einer reihe freimütiger interviews, die in der damaligen dokumentation "Six Into One: The PRISONER File" nicht verwendet wurden, enthüllt McGoohan nach und nach seine ureigensten gedanken über das konzept. Diese neue produktion ist wirklich das geworden, was Chris ursprünglich tatsächlich im

sinn hatte. Wenn Sie aber glauben, er würde sich allzu sehr auf die frühere doku stützen, kann ich Ihnen erfreut sagen, dass davon nur wenig in dieser 75-minütigen dokumentation enthalten ist. "Mit der obligatorischern 80er-jahre synthiemusik und den primitiven zeitgenössischen videoeffekten war sie damals so schwer anzschauen wie heute. Also lieber nicht." Jawohl, nunmehr haben wir ein weitaus besseres produkt vorliegen.
WIRKLICH DIE DEFINITIVE GESCHICHTE
Wirklich, dies ist die definitive geschichte von NUMMER 6, erzählt von ihrem erschaffer, mit sehr viel bisher nie gesehenem videomaterial von McGoohan und mit einem ausführlichen interview mit seiner tochter Catherine. Sie gewährt einsicht in und informierte blicke auf den emotionalen und psychologischen zustand ihres vaters zum damaligen zeitpunkt. Als extras gibt es einen cira 30-minütigen auszug mit Patrick, das er Chris 1983 gab sowie ein offenes 25 minuten langes interview mit Catherine über die arbeit ihres vaters und sein vermächtnis.
MEHR: DAS LA TAPE
IM GESPRÄCH: DAS TROYER-INTERVIEW
ÜBER SIX INTO ONE: THE PRISONER FILE
INTERVIEW MIT DAVE BARRIE

ALTMODISCHER LOOK,
ABER TROTZDEM WERTVOLL: SIX INTO ONE: THE PRISONER FILE |
Ich war sehr beeindruckt von diesem film, der die ältere doku im vergleich blass aussehen lässt. Im gespräch sagte Chris, dies sei seine zweite chance und jetzt sei es der film, den er früher schon gerne gemacht hätte. Auch Tim Beddows von der firma Network, dessen idee das ganze war, hat seinen verdienst hierbei, dass er daran geglaubt hat. Er war zu recht stolz, dass nur ein kleiner teil der früheren für diese neue dokumentation verwendet worden war. Wer das original gesehen hat, dem geht es vielleicht genauso wie mir und denkt, dass es unzureichend und unbefriedigend war, keine tiefe und breite hatte. "In My Mind" bestätigt diesen eindruck. Wir erfahren jetzt so viel mehr als das, was früher veröffentlicht wurde. Hier wird unbekanntes filmmaterial vom ersten interview verwendet, das entstand, als Chris für das interview nach Los Angeles geflogen war. Erst dieses material gibt allem die dimension, die überhaupt nur sinn macht.
Schauen wir es uns im zusammenhang an.
"ICH BIN'S, DER HIER ANGST HAT"
Chris hatte die serie in den 60er jahren gesehen, er gibt zu: "Sie veränderte mein leben." Als nächstes bot Channel 4 ihm die genannte möglichkeit an. Er schrieb McGoohan "einen zweiseitigen bittbrief." Aus irgendeinem grund und zu Chris' überraschung willigte McGoohan ein, über sein werk zu sprechen. Chris und regisseur Laurens Postma flogen daraufhin nach Los Angeles, um sich mit Nummer Sechs persönlich zu treffen. Der war zunächst misstrauisch. Das erste treffen fand auf neutralem boden [anm.: in einem hotel] statt. Er stimmte zu, er würde sich interviewen lassen und anrufen. Chris und sein team warteten. Dann kam der anruf. Patrick würde sie in einem leer stehenden haus im Laurel Canon erwarten. Chris hatte das gefühl, dass Patrick es eigentlich nicht wollte, dass er sich irgendwie überrumpelt vorkam.
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Der tag der verabredung kam, Patrick erschien ganz und gar nicht beruhigt. Der filmemacher-neuling und sein noch dazu mit technischen problemen kämpfendes team bedeuteten für McGoohan noch mehr unruhe. Die atmosphäre war angespannt. Chris fühlte, dass ihm die gelegenheit aus den händen glitt. Schließlich übernahm Patrick die kontrolle. Und dieses bislang nie gesehene filmmaterial von dem treffen ist äußerst vielsagend und offen. Viele schauspieler sind ihrem wesen nach scheu. Und Patrick war dafür bekannt, dass er keine interviews mochte. Sein erstes wort gegenüber Chris war: "Ich bin's, der hier angst hat."
Als er 1979 SIX OF ONE ein interview geben sollte, hörte er sich an, als ob er keine lust hätte. Später, 1982, als er sich hatte überreden lassen, in der fernsehsendung "TV's Greatest Hits" ein interview zu geben, betrat er das studio zusammen mit einem pulk von [SIX OF ONE] Society-mitgliedern in bunter PRISONER-kleidung und verhielt sich stocksteif und verkrampft. Das interview war gestelzt. Hier nun erklärt Catherine: "Schauspieler, die über sich selbst gesprochen haben, waren ihm egal. Er war sehr nachsichtig. Er glaubte auch, dass schauspieler ihre geheimnisse nicht verraten sollten. Man fragt ja auch nicht den maler, 'Warum haben sie den strich gerade so gemacht?' Es war ihm peinlich, darüber zu sprechen. Seiner meinung nach sprach das werk für sich selbst und jeder konnte es selbst interpretieren."
THE PRISONER was a game changer in television... much of what we've seen and apparently loved on television ever since has been influenced by it.
Chris Rodley |
Kurz gesagt, Patrick war mit dem ersten anlauf unzufrieden. Es begann, was Chris ein katz-und-maus-spiel nennt und was schließlich zu einem weiteren interview führte. Dieses bildmaterial haben wir in der früheren dokumentation gesehen. Als Chris Patrick nach einiger zeit den fertigen film zeigte, "hasste er ihn." Und um die lage noch zu verschlimmern, kehrte McGoohan nach Los Angeles zurück und drehte szenen, die seiner vorstellung entsprachen und die er verwenden lassen wollte. Aber, wie wir wissen, aus bekannten gründen wurden sie nicht verwendet [anm.: das videoband traf zu spät ein]. Das video verbreitete sich in PRISONER-kreisen und ist jetzt als das "LA Tape" bekannt. Wer es nicht kennt: Patrick wird darin von seiner tochter Anne interviewt. Es folgen ein paar surreale verschönerungen, die man als schelmisch bezeichnen könnte, an deren ende er ins meer hinaus schreitet.
Zurück zur aktuellen dokumentation. Sie enthält auch einige interessante und erhellende amateurfilmaufnahmen von September 1966, als die dreharbeiten in Portmeirion stattfanden. Dazu ausschnitte aus McGoohans erstem interview zum thema von 1977 bei TV Ontario [anm.: das sog. "Troyer-interview"] wie auch aus der 183er doku. Außerdem gibt es herrliche luftaufnahmen von drohnen aus Portmeirion, die extra für diesen zweck gemacht wurden. Catherines mitwirkung bringt ein völlig neues verständnis hinein. Über den abschluss [anm: "Demaskierung"] sagt sie: "Er wollte etwas, das überdauert. Sich gemein machen, - ein gesicht für Nummer Eins - das hätte es nie gegeben."
MEHR: DAS LA TAPE
IM GESPRÄCH: DAS TROYER-INTERVIEW
ÜBER SIX INTO ONE: THE PRISONER FILE
INTERVIEW MIT DAVE BARRIE

CATHERINE McGOOHAN UND DAVE BARRIE
AUF DER PRISONER-CONVENTION 2014
Der film trifft genau ins schwarze. Chris hat seine aufgabe gut gemacht, mit respekt und leidenschaft. Er sagt: "Patrick war liebenswürdig, großzügig und überraschend aufrichtig." Was wir hier sehen, kommt dem verständnis für Patrick McGoohan für immer so nah wie nur irgend möglich auf film. Vieles daran stimuliert, quält und erklärt uns und bringt uns dem verständnis näher, wie ein mensch etwas schaffen konnte, das beinahe genial war. Vielleicht war auch es genial.
Chris Rodley war einer der gäste auf der PRISONER-Convention 2023 in Portmeirion. Leider war sein auftritt eine enttäuschung. Er kann wohl eine dokumentation produzieren, aber ein interview geben kann er definitiv nicht. Zudem war sein nuscheln derart starkt, dass selbst englische muttersprachler nach eigener aussage nur 30 prozent verstanden haben.
Dave
Barrie gründete 1977 die PRISONER Appreciation Society SIX
OF ONE. Dieser
artikel erschien im mitgliedermagazin "Orange Alert"
2/2018. |